Mentalisierung als grundlegendes Konzept in der psychoanalytischen Behandlung
Mentalisieren meint die Fähigkeit, sich auf mentale Zustände in sich selbst und in Anderen zu beziehen mit dem Ziel sein eigenes Handeln und das der Anderen als intentional zu verstehen.
Wenn wir erfolgreich mentalisieren, dann sind wir in der Lage zu verstehen, was in uns oder in Anderen vorgeht hinsichtlich Gefühlen, Gedanken und Handlungen.
Das Verstehen unserer eigenen Sichtweise als auch die von anderen Menschen ist die Grundlage für erfolgreiches Handeln in sozialen Kontexten.
Starke Affekte, wie z. B. Angst, schränken unsere Fähigkeiten ein, uns selbst und andere zu verstehen, d. h. zu mentalisieren. Ebenso werden Mentalisierungsfähigkeiten häufig durch Erfahrungen in der Kindheit oder durch traumatische Erfahrungen eingeschränkt.
Geraten später Menschen in die Nähe dieser alten Erfahrungen, schränken sich die Mentalisierungsfähigkeiten weiter ein. Auch extreme private oder berufliche Situationen schränken die Mentalisierungsfähigkeiten ein.
Die Mentalisierungsfähigkeit weiter zu entwickeln ist nicht Selbstzweck. Die Weiterentwicklung ermöglicht es uns in der Welt, vor allem im zwischenmenschlichen Bereich hinzuzulernen. Die Konzepte der Mentalisierungsstörungen und der mentalisierungsbasierten Behandlung (Allen, Bateman, Fonagy et al.) stehen in enger Verbindung mit dem psychoanalytischen Verständnis der Bindungsforschung und der Neuro-Wissenschaften.
Das epistemische Vertrauen wird in der neueren Entwicklung des Mentalisierungskonzepts zu einer zentralen Größe. Epistemisches Vertrauen ist das basale Vertrauen in eine Bezugsperson als sichere Informationsquelle.
Ein Beispiel: Unser Geburtsdatum kennen wir nicht aus unserer eigenen Erfahrung, aber wir sind darüber ziemlich sicher. Personen, denen wir vertrauen, haben es uns gesagt und es stimmt mit anderen Informationen, die wir haben überein.
Epistemisches Vertrauen erwerben wir als Kind besonders gut, wenn wir in einer sicheren und vorhersehbaren Umgebung aufwachsen. Sichere Bindung und affektive Resonanz bedeutender Bindungspersonen erleichtern den Erwerb von epistemischen Vertrauen. Epistemisches Vertrauen ist die Grundlage der Entwicklung eines Selbst, das sich als selbstwirksam erlebt.
Siehe auch: „Das Konzept der Mentalisierung„
Siehe auch: „Mentalisieren in der psychodynamischen und psychoanalytischen Praxis“ (2023) J. Brockmann, H. Kirsch & S. Taubner Klett-Cotta Verlag (Link)